Wie ich wurde, wer ich bin
Ob streunende Hunde und Katzen oder ein verletzter Vogel – Tiere zogen mich von klein auf in ihren Bann und weckten in mir Neugier, Interesse und das dringende Bedürfnis, zu helfen.
Video: Michael Orlik
Lesezeit: 12 Minuten
Als Junge betrieb Dr. med. Maik Hauschild ein hauseigenes «Tierli-Spital». Jedes Tier erhielt eine liebevolle rundum Betreuung.
Was frisst ein hungriger Igel? Was mir der Hund mit seinem lauten Bellen wohl sagen möchte? Wie könnte ich den gebrochenen Flügel dieses Vogels reparieren, damit er wieder zu seiner Familie fliegen kann? Was kann ich tun, damit das Kätzchen wieder gesund wird? Der Naturwissenschaftler in mir kam schon als kleines Kind deutlich zum Vorschein. Gefördert und liebevoll unterstützt wurde dieser natürliche Instinkt in mir durch sehr geduldige und tolerante Eltern: So ziemlich jedes Tier, das ich entdeckte, erhielt ein Bett – mit hingebungsvoller rundum Betreuung – im Hauschild’schen «Tierli-Spital».
Der Weg zur Humanmedizin
Im Laufe der Jahre verlagerte sich mein Interesse immer stärker zu den Menschen hin. Mich faszinierten die Komplexität und Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers. Aber auch Krankheiten, diese Puzzles mit tausend Teilchen, wollte ich knacken und lösen – natürlich mithilfe der Medizin! Und so kam es, dass ich von 1987–1994 mein Studium der Humanmedizin an der Berliner Charité und der Hadassah Medical School in Jerusalem, Israel, absolvierte.
Die Frauenheilkunde faszinierte mich aufgrund ihrer grossen Bandbreite und den vielfältigen Möglichkeiten, als Arzt tätig zu sein. Wollte ich konservativ behandeln oder auch operativ tätig sein? Wollte ich mich der Geburtshilfe verschreiben, mich auf Hormone spezialisieren, oder meinen Fokus gar auf Tumorerkrankungen lenken? Die Frauenheilkunde erwies sich als spannende und herausfordernde Spielwiese für den damals jungen, noch unerfahrenen Gynäkologen. Und so erkundete ich in meiner Ausbildung zum Facharzt an der Berliner Charité die gesamte Frauenheilkunde mit all ihren Teilgebieten.
Natürlich war es zunächst die Geburtshilfe, die mich wie so viele jungen Ärzte in den Bann zog. Schliesslich ist es eine unglaublich schöne und aufregende Tätigkeit, neuem Leben auf die Welt zu helfen! Ein ganz besonderes Interesse aber erwachte in der Abteilung für gynäkologische Tumore, wo ich mich zum Tumorchirurgen ausbilden liess. Eine Krebsdiagnose, so stellte ich fest, war für jede Patientin ein einschneidender Moment. Eine Zäsur, die das eigene Leben in ein für selbständig hingenommenes «Vorher» und in ein stark reflektiertes «Nachher» unterteilte. Mit dem Schnitt, der Operation des Chirurgen, war es selten getan, auch dann nicht, wenn der Krebs, die Krankheit, damit vielleicht «besiegt» war.
«Natürlich war es zunächst die
Geburtshilfe, die mich wie so viele jungen Ärzte
in den Bann zog.»
Die Betreuung und Begleitung von Patientinnen in diesem schwierigen Lebensabschnitt stellten für mich eine grosse Herausforderung dar – sowohl als Arzt als auch als Mensch – und ich spürte deutlich: hier braucht es mehr. Diese tückische Krankheit befällt nämlich nicht nur Brust, Gebärmutter und Eierstöcke, sie erschüttert die betroffene Frau in ihrem ganzen Leben und Sein.
Wie kann ich während der Behandlung da sein für meine Familie und meine Kinder? Wie wird sich mein Körper verändern? Was bedeutet dies für meine Beziehung zu meinem Partner und für meine Sexualität? Und wo bleibe ich? Diese Fragen stellten Frauen immer wieder. Fragen, auf die Operation, Chemo, Bestrahlung und Co. nicht die alleinige Antwort sein konnten.
Für mich als Arzt drängte sich die Frage auf: Ist die klassische Schulmedizin wirklich alles, was wir unseren Patientinnen bieten können? Gibt es nicht mehr, was wir tun können? Und so war es für mich naheliegend, über den schulmedizinischen Tellerrand hinaus zu schauen.
Zahlreiche Studien belegten, wie viele Patientinnen das Bedürfnis nach einer ganzheitlichen Behandlung haben. Diese Studien zeigten aber auch auf ernüchternde Art und Weise, wie wenig Wissen, aber oft auch wie wenig Interesse wir klassischen Schulmediziner an der Komplementärmedizin hatten. Und dieser Ruf eilte uns dermassen voraus, dass viele Patientinnen sich gar nicht getrauten, uns Ärzte über ihre selbst initiierten, begleitenden Therapien zu informieren.
Ein spannender Weg zur Ganzheitlichkeit
Und so begann für mich vor nahezu zehn Jahren in Rheinfelden eine erneute Reise. Ein spannender Weg zur Ganzheitlichkeit, zur Achtsamkeit und zum Einklang zwischen Körper und Geist. Diese Pfeiler legten das Fundament für unsere Frauenklinik, in der die klassische Schulmedizin erweitert und ergänzt wird mit Verfahren der Naturheilkunde, der traditionellen chinesischen Medizin und der Anthroposophischen Medizin.
Und so wurde der neugierige Junge mit dem hauseigenen «Tierli-Spital» ganz unverhofft und unvorhergesehen zum Frauenarzt und Komplementärmediziner mit Leib und Seele.